Gemälde Laufen von K.P.


Pick, pick, pick! Eine Weihnachtsgeschichte 2. Teil

Melf hüpfte vor, um mal kurz um die Mauerecke zu schauen, aber Mama rief ihn zurück an seinen Platz. Sie erklärte uns, dass wir grundsätzlich nicht auf solches Getue von Menschen reagieren sollen, weil wir ja gar nicht wissen, was sie damit bezwecken.
Die kleine Levine sagte darauf:„Aber Mama, vielleicht wollte er uns nur wieder Körner geben.“
„Also Kinder, erstens: Wenn dieser Mensch uns Körner geben wollte, dann hätte er es einfach getan! Und zweitens: Warum hat er uns keine Körner gebracht?“ Wir drei saßen in Erwartung auf eine Antwort. Die kam aber nicht!
Mama zupfte einfach, als wäre nichts gewesen, an ihren Federn.
Irgendwann fragte Melf: „Hey Mama, und? Warum hat der Menschenmann uns die Körner nicht gebracht?“ Mama kam prompt aus ihrem Gefieder hervor und sagte streng: Genau, und seht ihr jetzt, dass es völlig richtig war nicht zu reagieren? Ich möchte gar nicht wissen was dieser, ja fast wildgewordene Mensch, von uns wollte, noch dazu mitten im Schulunterricht. Und da wären wir jetzt endlich wieder bei unserem Thema. Schluss nun mit dem Menschengehabe und konzentriert euch auf das Wesentliche.“
Dann herrschte wieder Ruhe und wir führten unsere Prüferin von Windschatten zu Windschatten und suchten immer neue Unterschlupfe, weil der kreisende Wind uns immer neu herausforderte.

Einmal konnte ich von weitem den Landmann sehen, es sah aus als suche er nach etwas oder jemandem. Im Stillen dachte ich, vielleicht sorgt er sich um uns, bei diesem frostigen Schneesturm. Er rief etwas wie: „Di-dei-dei“, „na-na-na“, „Hallo-halloo“, „wo-seid-ihr-denn, wo-seid-ihr-denn“ und wiederholte es ständig.
Schade, dass ich nicht verstehe, was das bedeutet. Ich behielt meine Beobachtung aber für mich.
Am späten Nachmittag wurde es sogar der Mama zu kalt, oder ihre Sorge um Levinchen zu groß, die sehr fror und am ganzen Körper zitterte, obwohl wir immer einen guten Platz gefunden hatten. „Kinder“, sagte sie, „wir gehen jetzt in unseren Hühnerstall zu den anderen, die kleine friert.“ „Aber Mama, da ist es doch viel zu kalt für Levinchen, wegen der ganzen Löcher? Wir müssen wieder in den Menschenstall!“ entgegnete ich ihr.
Sie erinnerte mich an den vorletzten Abend, als die Praktikantin uns bis fast Mitternacht draußen hatte warten lassen. Das war wirklich knapp, und wir alle wären fast erfroren.
Trotzdem hielt ich gegen Mamas Vorschlag setzte auf den neuen, den Stadtmann, der uns bestimmt nicht warten lassen würde. Ein Mensch mit Anstand, wie man doch so sagt oder? Sogar die Kleine stimmte mir zu und wollte nicht in den kälteren Hühnerstall. Also zogen wir zum Steg vor der großen Stalltür und warteten hier geschützt vom Wind unter diesem. Wir waren noch gar nicht lange dort, da sagte ich zu Melf: „Ich geh mal gucken ob der Landmann guckt! Ich kletterte also die erste Stufe zum Steg hinauf und schaute zu den großen Wandlöchern.
Mama sagt, das seien Fenster oder so, und genau im selben Moment guckte der Stadtlandmann von drinnen nach draußen. Er sah mich an. Ich rief aufgeregt zur Mama, „Er ist da und hat mich gesehen!“. Sie rief zurück: „Komm wieder runter zu uns, du holst dir ja noch den Tod.“ Aber ich hörte nicht, sah wieder zum Wandloch. Der Landmann stand noch immer da, war kurz weg, dann wieder da, dann wieder weg. Dann, immer noch weg! Oh je, dachte ich, hatte ich mich geirrt? Dann ging die riesige Stalltür auf, und ich hörte nur: „Komm, komm, komm, komm!“
Ich pickte gegen den Steg und rief den anderen zu, „kommt die Tür ist auf“. Zögernd, dann aber doch geschwind kamen, erst Melf, Levine und zu guter letzt die Mama. Drinnen hatte der Stadtlandmann eine Schüssel voller Körner hingestellt, nur für uns. Als wir alle im Warmen saßen, und satt vom Futter waren, da sagte ich: „Der Stadtlandmann ist doch nett. Oder?“ Mama sagte nur: „So Kinder, es ist Schlafenszeit. Pick.“ Die nächtliche Stille wurde noch einmal kurz von Mamas leiser Stimme durchbrochen: „Ja, dieser Staatslandsmann ist wirklich nett.“ Und Melf flüsterte: „Pick pick, Stadtlandmann! Pick pick.“


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